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AutorenbildKarla B.

Bewusst-sein?

Aktualisiert: 6. Dez. 2023

Wir "versacken".

Versacken ist unser Wort für einen Zustand der wohl am ehesten den dissoziativen Trancezuständen mit Depersonalisation und Derealisation zugeordnet werden könnte. Nicht jeder Mensch mit einer DIS hat solche tranceartigen Zustände, doch bei uns ist es eines der Hauptprobleme im Alltag, wenn wir zuhause sind. Ist etwas los findet sich fast immer jemand in uns, der/die diese Situation übernimmt. Wenn nichts im Außen passiert auf das wir Reagieren müssten, wenn wir zur Ruhe kommen könnten oder wenn wir einfach keine Energie haben etwas zu tun, dann geht es los. Die Intensität scheint dabei mit vermehrten triggern im Außen zuzunehmen. Besonders schlimm wird es wenn wir alleine sind und dummerweise nichts für diesen Tag im vorraus geplant haben.


Heute ist wieder einer dieser Tage an dem wir so versacken...


Ich habe das Gefühl mich kaum in der Realität halten zu können. Die Welt ist unwirklich, weit weg, diffus, für mich nicht als Ort an dem "Ich bin" fassbar. Ich schwebe in einem tauben Körper durch Momente die weggleiten und dann wiederkommen wie Wellen am Strand.


Es ist schwer die Gedanken festzuhalten, sie in etwas zu bündeln was sich aufschreiben lässt. Nicht ständig wegzurutschen und eine unbestimmte Weile einfach nur als leere Hülle dazusitzen. Es sind diese Tage an denen niemand so richtig anwesend scheint. Es vermischt sich etwas depressives mit dissoziativen Erleben und einem getriggert sein, welches sich nicht näher verorten und zuordnen lässt. Ich kann nicht genau sagen warum wir seit gut zwei Wochen wieder sehr stark in diesem Zustand landen.


Innen tobt ein Ozean, es bebt die Erde. Es ist als ein rummoren in den Zwischenräumen/den Wänden zu fühlen, ohne Verbindung zu dem was hinter diesen Wänden ist. Innen ist für mich genauso weit weg wie Außen.

Ich schwebe dazwischen, irgendwo hinter Vorne, aber vor dem Hinten. Im Hinten scheint es nicht aushaltbar und Vorne entgleitet mir.

_________


Unser Mann hat uns heute wieder einmal geholfen/helfen müssen aus so einem Zustand herauszukommen. Er gab wiederholt Impulse von Außen eine Tätigkeit aufzunehmen, schleppte uns am Ende mit nach draußen und wir spielten ein paar Runden Badminton. Jetzt geht das Schreiben einfacher. Die Welt ist immernoch wie hinter Watte, aber ich stehe wieder mehr im Außen, bin nicht ganz so schwebend und haltlos und die Gedanken lösen sich nicht ständig einfach auf. Ich versuche diesen Zustand zu halten.

Es ärgert mich, dass wir es mal wieder nicht gut alleine hinbekommen haben einen handlungsfähigen Zustand zu erreichen.


Es gibt tausend und einen Weg aus solchen dissoziativen Zuständen wieder herauszukommen, zumindest momenteweise.

In den verschiedenen Therapien die wir gemacht haben wurden wir überhäuft mit Ideen dazu... Diese sogenannten Anti-dissoziationsskills haben übergeordnet den Zweck einen wieder mehr in der äußeren, jetzigen Realität zu verankern.

Dazu kann man aktiv den eigenen Körper nutzen, z.B. indem man sich bewegt, balanciert, hüpft, auspowert etc. oder indem man Reize von außen benutzt, die man Wahrnehmen kann z.B. starken Geruch, einen piksigen Igelball in der Hand, kälte/wärme, Ansprache von Außen, Druck (durch eine schwere Decke oder Umarmungen, wenn das ok ist) oder etwas markantes zum Essen.

Es ist wichtig zu versuchen sich auf den Reiz auch zu konzentrieren und ihn möglichst gut Wahrzunehmen.


Erfahrungsgemäß hilft es sich darüber hinaus auch auf mehr aus der direkten Umgebung zu konzentrieren. Wo bin ich? Was kann ich sehen/hören/eventuell fühlen? Bei uns auch sehr wichtig ist das: Wann bin ich? und Was sind äußere Sicherheiten im Heute? Dazu kann zählen sich klar zu machen wo man aktuell lebt, was tägliche Abläufe sind, auf welche Menschen man sich verlassen kann und was man selbst gerne tut.

Im Idealfall kann man dann dazu übergehen etwas längerfristig aktiv zu tun, dabei den Körper und/oder den Geist ordentlich in Aktion zu halten und darüber mehr Verbindung zur Außenwelt herzustellen. Wir nutzen dazu wenn wir alleine sind unter anderem gerne Puzzles, Haushaltsarbeiten, Zocken, Rätzel lösen, Gesellschaftsspiele (wir spielen manchmal gegeneinander, nutzen das auch zum in Kontakt kommen untereinander) und teilweise auch das Schreiben.


Auf den ersten Blick mag das leicht klingen... Einfach ein bisschen Skillen, sich umsehen, etwas der Realität versichern und dann ab gehts mit dem Spaß. Nein so ist es nicht...


Was einem selten dazu gesagt und verdeutlicht wird ist, dass sich alleine aus dissoziativen Zuständen rauszukämpfen immer mit mehreren Teilleistungen verbunden ist, die noch vor dem Skillen an sich beginnen und nicht sichtbar sind:

  • Erkennen, dass dieses Problem gerade besteht

  • Erinnern, dass man etwas ändern kann

  • Wissen, wie man etwas ändern kann

  • Vertrauen haben, dass man das schaffen kann und es danach besser ist

  • Entscheiden aus dem Zustand herauskommen zu wollen

  • Energie haben für die Umsetzung

  • Willenskraft aufbringen zu starten

  • Die Aufmerksamkeit auf die Außenwelt und das Handeln fokussieren

  • Den Körper dazu bringen sich zu bewegen

  • Die Aufmerksamkeit, den Willen und die Bewegungen zusammenbringen (eventuell Hilfsmittel holen) und dann mit dem eigentlichen Skillen anfangen.


Solche Teilleistungen können natürlich auch aus anderen Gründen erschwert sein, aber in dissoziativen Zuständen wie hier kommen oft gleich mehrere Punkte zusammen.

Vielleicht kann man alles davon abrufen und ist völlig klar, wenn man nicht in dieser Situation steckt, aber wenn das Erkennen, Erinnern und das Wissen eingeschränkt sind und keine Energie mehr da ist, weil man sich vielleicht schon zuvor mehrfach aus diesem Zustand herausgeholt hat, wird das ungemein schwierig...

Es kann körperliche Energie kosten, weil man sich über Sport und Bewegung ankert oder, und das ist häufig das was es wirklich so anstrengend macht; es kostet einen Haufen mentale Energie, weil man das Denken und die Wahrnehmung immer wieder aus einem Sumpf ziehen muss, in dem diese nach jedem Schritt erneut steckenbleiben (können).


Antidissoziationsskills können ersteinmal helfen einen Anker für die eigene Wahrnehmung zu finden. Doch das reicht oft nicht, weil nach kurzer Zeit ein Gewöhnungseffekt bei den meisten einsetzt und man sofort zurückfällt, sobald der starke Reiz nachlässt oder man wieder zur Ruhe kommt. Dann geht der ganze Spaß von vorne los.


Sich bewusst zu machen wie komplex das Ganze ist und was es kostet, kann helfen gnädiger mich sich zu sein, wenn es mal oder auch wiederholt nicht oder nur mit Hilfe von Außen gelingt. Es ist immer wieder harte Arbeit sich da rauszuholen, das zu halten und dazwischen irgendwie auch zu leben. Manchmal fehlt dann einfach die Energie oder auch die Willenskraft und der Blick für den Sinn dahinter. Manchmal ist es da auch fast angenehmer in diesem Zustand zu bleiben oder nur Dinge zu tun die ein minimum an Energie kosten aber ein maximum an mehr Distanz nach Innen bringen. Das ist auch einfach mal in Ordnung. Wir sollten uns dafür nicht immer so verurteilen. Wir könnten auch mal anerkennen, das es nuneinmal diese Schwierigkeit gibt und wir das beste uns mögliche Tun um präsent zu sein.


Präsent sein bedeutet für uns überhaupt mehr am Leben teilzunehmen. Zu fühlen und mitzubekommen, dass man existiert und dass die Welt und die Menschen um einen herum real und greifbar sind. Aber auch selbst greifbarer für andere zu sein. Überhaupt ein richtiges Gegenüber zu sein und nicht nur eine reagierende Hülle, die halt so existiert.


Wir arbeiten daran, dass es besser wird und vielleicht klingt das jetzt total langweilig, aber ein großer Teil unseres Alltags besteht tatsächlich darin sich von Termin zu Termin und von Situation zu Situation zu Skillen und zu versuchen so zu mehr Leben in den Zwischenzeiten zu kommen...











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